Bericht Duisburg 2024

DEGUWA-Fortbildung

Museum der Deutschen Binnenschifffahrt - Duisburg

Bericht über den Gruppenbesuch im Museum der Binnenschifffahrt in Duisburg

Am 12. Oktober 2024 besuchte unsere gesellige DEGUWA-Gruppe das Museum der Binnenschifffahrt in Duisburg. Das Ziel des Besuchs war, im Rahmen einer Fortbildung, die auch zur Erlangung von Credits der NAS-Ausbildung diente, einen Einblick in die archäologische Entwicklung der Binnenschifffahrt zu gewinnen und die historische Bedeutung für den Handel, die Kultur und die Entwicklung des Binnenlands zu verstehen. Besonderes Augenmerk legten wir auf archäologische Funde und Exponate, die die Bauarten, die Entwicklung und den Einsatz von Wasserfahrzeugen in unterschiedlichen historischen Epochen dokumentieren.

Das 1974 gegründete Museum ist in einem ehemaligen Hallenbad aus Zeiten des Historismus mit Jugendstilelementen untergebracht und liegt im Herzen des Stadtteils Ruhrort, dem größten europäischen Binnenhafenkomplex. Das Museum der Binnenschifffahrt widmet sich der Geschichte und Kultur der Schifffahrt auf Binnengewässern. Die Ausstellungen zeigen eine Vielzahl von detailgetreuen Modellen, originalen Exponaten und multimedialen Präsentationen. Ein Schwerpunkt des Museums liegt auf der Dokumentation der technischen und 

gesellschaftlichen Entwicklung der Binnenschifffahrt, die von den frühen hölzernen Lastkähnen bis hin zu modernen Motorschiffen reicht. Dies bietet eine hervorragende Grundlage für die Betrachtung unter unterwasserarchäologischen Gesichtspunkten, da archäologische Funde zur Binnenschifffahrt Aufschluss über technische Innovationen, Handelsnetzwerke und kulturelle Austauschprozesse geben. 

Die Aufteilung des Bauwerks in Damen-Schwimmhalle, Herren-Schwimmhalle und Eingangsgebäude bietet sich an für eine strukturelle Unterteilung der Exponate, welche die Schifffahrtsgeschichte von der Steinzeit bis zur Gegenwart in verschiedene Themen- Sektionen darstellt, von denen einige besonders wertvolle Einblicke in die archäologische Forschung boten. Treffpunkt war der Museumsshop, von dem aus wir unseren, durch eine ehrenamtliche Mitarbeiterin sehr liebevoll und informationsreich geführten Rundgang, zunächst ins Herren-Schwimmbad starteten.

Das Ausstellungs-Highlight: Mitten im Herren-Schwimmbad bildete die Tjalk "Goede Verwachting" den alle Blicke auf sich ziehenden Mittelpunkt, ein Lastensegler aus dem Jahre 1913 unter vollen Segeln, ein typisches Plattbodenboot mit seinen, durch Lohe (Gerbbrühe) braun gefärbten Segeln und Seitenschwertern, die das kiellose Boot stabil hielten und die Möglichkeit des Trockenfallens bei Ebbe ohne Kragen (Querschlag, seitliches Kippen) boten.

Frühe Wasserfahrzeuge und Transporttechniken: 
Diese Abteilung des Museums stellte prähistorische und frühgeschichtliche Wasserfahrzeuge vor, die nach archäologischen Funden rekonstruiert wurden. Schon der Verbund von Baumstämmen als Floß, zum Transport der Stämme an einen flussabwärts gelegenen Landungsplatz mit Siedlungs-, Hafen- oder Brückenbau gedacht, war als Transportmittel nutzbar. Auf dem langen Weg zum Ziel waren Mannschaft, Verpflegung, Ausrüstung und sicher auch Waren verladen, die durch deren Verkauf den Rückweg zum Ausgangspunkt ermöglichen sollten. Besonders interessant war ein Modell eines Einbaums, wie er in Europa seit der Steinzeit nachgewiesen ist. Einbaum-Funde aus verschiedenen Regionen belegen, dass Menschen schon früh in der Lage waren, einfache Wasserfahrzeuge herzustellen, die für den Transport von Gütern und Menschen über kurze Distanzen genutzt wurden. Solche Funde sind durch dendrochronologische Untersuchungen oft recht genau datierbar und geben einen Einblick in die Bau- und Nutzungstechniken jener Zeit. Der Prozess des Ausbrennens war eine weitverbreitete Technik, um den harten Holzstamm zu bearbeiten, da metallene Werkzeuge noch nicht oder nur begrenzt verfügbar waren. Zunächst wurde ein geeigneter Baum ausgewählt, oft ein Baum mit relativ weichem Holz, wie etwa Linde oder Eiche. Der Stamm musste dick und gerade genug sein, um die Form eines Bootes zu ermöglichen. Der Baumstamm wurde gefällt und grob zugeschnitten, um eine längliche und symmetrische Grundform zu erhalten. Wenn möglich, wurden schon erste Einkerbungen und Markierungen gemacht, um die spätere Hohlform zu definieren. Kleine Feuer wurden im Bereich entzündet, der ausgehöhlt werden sollte. Dabei wurde das Feuer ständig überwacht und kontrolliert, um sicherzustellen, dass das Holz nicht zu tief brannte oder unkontrolliert Schaden anrichtete. Das verbrannte Holz wurde nach dem Ausbrennen mit Steinwerkzeugen oder Knochenwerkzeugen abgeschabt und herausgekratzt. So konnte man den Brandprozess nach und nach steuern und den Hohlraum langsam erweitern. Der Ausbrenn- und Schabevorgang wurde mehrmals wiederholt, bis die gewünschte Tiefe und Form des Hohlraums erreicht war. Nachdem der Einbaum grob ausgebrannt und geformt war, wurde das Innere mit Steinen, Sand oder Tierhäuten weiter geglättet. So wurde die Oberfläche nicht nur gleichmäßiger, sondern auch das Holz widerstandsfähiger gegen Wasser. Um den Einbaum stabiler zu machen, wurden möglicherweise Verstärkungen aus Holz oder Leder hinzugefügt. Außerdem könnte der Rumpf gelegentlich mit Tierfett oder Harz eingerieben worden sein, um das Holz zusätzlich wasserabweisend zu machen. Zudem wurden kleinere Alltagsgegenstände und Artefakte wie Keramik, Werkzeuge und Münzen ausgestellt, die man in Schiffswracks gefunden hat und wertvolle Informationen über das Leben und die Handelsbeziehungen der jeweiligen Zeit liefern. Zu sehen war unter anderem ein Schiffsniet und Nietplatten, Zeugnisse über die Bauweise zu Zeiten der Wikinger, sowohl verschiedene Anker unterschiedlicher Epochen und Bauweisen als auch Modelle einer Siedlung, von Schiffen, Spanten und Aufbauten.

Handel und Austausch in der Römerzeit: Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der römischen Zeit, in der die Binnengewässer Europas intensiv für Truppenversorgungen und Handel genutzt wurden. Die römischen Flussschiffe Lusoriae waren eigens dafür entwickelt, auf Flüssen wie dem Rhein und der Donau Waren zu transportieren. Es handelt sich um einen römischen Kriegsschifftyp der Spätantike, schlanke und flachgehende Ruderboote, die von etwa dreißig Ruderern angetrieben wurden, die in einer Ebene saßen. Zusätzlich konnte ein Mast getakelt werden. Die Schiffe der "Classis Germania" verfügte über verschiedene Schiffstypen, darunter die schnellen und leichten Liburnae sowie größere Schiffe wie die Navis Actuaria. Diese waren für den Transport von Soldaten, Ausrüstung und auch Pferden geeignet. Es waren schnelle, wendige Boote, die von Marinesoldaten, den Classiarii, aber auch problemlos von Legionären gesteuert werden konnten. Über den Rhein konnten schnell Nachschubgüter wie Getreide, Waffen und Baumaterial transportiert werden, was die Versorgung der römischen Legionen und Festungen sicherstellte. In friedlichen Zeiten ermöglichte die Flotte auch den Handel und den zivilen Transport von Waren, wodurch der Rhein zu einer bedeutenden Handelsroute wurde. Archäologische Funde von römischen Lastschiffen und Handelsgütern entlang dieser Flüsse belegen die Bedeutung der Binnenschifffahrt im römischen Handelsnetzwerk. So gewannen Städte an Flüssen rasch an Bedeutung, was wiederum erweiterten rheinischen Siedlungsbau nach sich zog. Anhand von Modellen und archäologischen Funden (wie Amphoren und Ladungsresten) konnten wir die Rolle der Schifffahrt für den Austausch von Gütern wie Olivenöl, Wein und Metallen nachvollziehen. Ein Flusskahn konnte 3 Meter Länge, 9 Meter Breite und einen Tiefgang von nur 0,7 Metern haben, wobei er eine Fracht von ca. 150 Tonnen tragen konnte. In der Experimentellen Archäologie wurden bereits einige dieser Schiffe nachgebaut und wir freuen uns schon jetzt auf eine hoffentlich zukünftige gemeinsame Fahrt mit DEGUWA-Teilnehmern in einem dieser Boote.

Mittelalterliche und frühneuzeitliche Schifffahrt: Die Ausstellung dokumentierte die Weiterentwicklung der Binnenschifffahrt in Mittelalter und Früher Neuzeit. Es wurden verschiedene Modelle von mittelalterlichen Frachtschiffen gezeigt, die anhand von archäologischen Funden in der Rhein- und Donau-Region rekonstruiert wurden. Die Funde von Wracks und Ladungsstücken aus dieser Zeit geben wertvolle Einblicke in die Handelsstrukturen und Warenströme des Handels und zeigen die Bedeutung der Binnenschifffahrt für den internationalen Handel im Mittelalter. Für die Binnenschifffahrt wurden neue Bauweisen konstruiert, die für die schwierigen Wasserwege mit Strömungen und Untiefen ausgelegt sein mussten. Flussabwärts konnten ganze Verbände relativ leicht gesteuert, flussaufwärts musste getreidelt werden. Menschen oder Tiere wurden mit Zaumzeug und Leinen entlang von Leinpfaden gezogen, bis im 19. Jhd. Dampfschiffe diese Last übernahmen. Andere Schiffstypen, die Zille oder Einwegschiff, wurden so konstruiert, dass sie nur flussabwärts fuhren. Nach Ankunft wurden sie nicht nur entladen, sondern komplett zerlegt, so dass sämtliche Holzteile zur Weiterverwendung in Gebäude-Konstruktionen bis hin zu Heizmaterial genutzt werden konnten. Andere Schiffe wurden für den längeren Gebrauch konstruiert. Halbe Schiffskörper-Nachbauten ließen die Mengen an Material und Zeit erahnen, die der Schiffsbau benötigte. Die Dorstener Aak benötigte etwa 120-150 Festmeter Holz, die von Zimmermännern angezeichnet, von Sägeknechten geschnitten, dann gehobelt, genutet und über offenem Feuer und Dampf geschmeidig in Form gebogen zu wurden.

Auf Tauchstation: Eine weitere Station unseres Rundgangs befand sich im Kellergeschoss, den Räumen unter dem ehemaligen Herren-Schwimmbecken. Vorbei am Lagerraum eines Schiffes, hier konnte man Eindruck erhalten vom Leben an Bord unter Deck, gefüllt mit Ladung aus Fässern, Körben, gefüllt mit Flüssigkeiten, Kohle und Lebensmitteln als Frachtgut oder zum Leben an Bord, hin zu einer Halle, in der man die Tjalk nun auch von unten betrachten konnte. Eine Welt, die uns DEGUWA-Tauchern allzu bekannt vorkam. Der flache, kiellose Schiffsrumpf von unten mit den seitlichen Schwertern war zu bestaunen. Daneben eine alte Taucherausrüstung, inklusive eines Tauchhelms und Bleischuhen. Die Geschichte des Tauchens ist schon sehr alt. Bereits vor etwa 6500 Jahren, gab es in Indien und Ostasien Menschen, die viele Meter tief nach Perlen, Perlmutt, Schwämmen und Korallen tauchten und sich damit ihren Lebensunterhalt verdienten. In den Ruinen von Paestum wurde in einem Fresko der Tomba del Tuffatore eine Abbildung eines Tauchers dargestellt und auf ca. 470 v. Chr. datiert. Marianus Jacobus beschreibt erstmals um 1438, noch vor Leonardo da Vinci um 1500, einen Taucheranzug mit Helm. Bei Helmen mit Schlauchverbindungen zur Oberfläche gab es primitive Luftzufuhrmethoden. An der Oberfläche konnte eine manuelle Pumpe Luft in den Schlauch und in den Helm des Tauchers drücken. Zu sehen war eine solche Pumpe vor dem Eingang zur Unterwasser-Halle. Die Bleischuhe waren an den Füßen befestigt und dienten dazu, den Taucher unter Wasser zu halten, während der mit Luft gefüllte Tauchanzug die entgegengesetzte Tendenz hatte und wies eine breite, flache Sohle auf, um das Einsinken in sandigen oder schlammigen Untergrund zu verhindern. Zu sehen war auch der mit Flusskies bedeckte Boden, und jede Menge Zivilschrott, wie er immer mehr zu beobachten ist. So mussten sicher auch früher schon gelegentlich durch Niedrigwasser aufgelaufene, oder bei Hochwasser mit starker Strömung gesunkene Boote, oder durch falsch nivellierte Ladung, achtlos entsorgte Abfälle und über Bord gegangene Gegenstände geborgen oder aus der Fahrrinne entfernt werden, um den zahlreichen Schiffen freie Fahrt zu ermöglichen.


Im Durchgang zum Damen-Schwimmbad konnten wir die Bauweise der Buhnen sehen, Erdwälle, die zur Regulierung des Flussbettes an den Ufern der Flüsse gebaut werden. Diese Dämme werden in Schichten aus Gestein, gebundenem Reisig, Sand und wieder Stein übereinandergeschichtet, wodurch das Ausufern der Flüsse bei starker Strömung verhindert wird und die Fahrrinne somit stabil bleibt.

Das Highlight im Damen-Schwimmbecken: Hermann, der begehbare Nachbau eines Binnenschiffes. Wichtige Themen in dieser Halle sind das Leben und Arbeiten an Bord. Die Ausstellung berichtet vom Alltag der Schiffer und ihrer Familien zu Wasser und zu Lande, Personenschifffahrt und Rheinromantik, Umschlagstechniken im Hafen, die Geschichte der Duisburg-Ruhrorter Häfen, das deutsche Kanalsystem, Flussbau (und Schleusen) sowie internationale Vereinbarungen zur Binnenschifffahrt. Die Modelle des Schaufelraddampfers "Stadt Mainz", als Glattdecker zum Transport von Personen und Güter gebaut und eines sogenannten Hafenkrans oder genauer der Verladeaufzug für Eisenbahnwaggons im Rheinhafen zogen die Blicke auf sich. Ein bekanntes historisches Beispiel dafür ist der Eisenbahnverladeturm (auch Verladebunker genannt) im Duisburger Binnenhafen, der die direkte Verladung von Eisenbahnwaggons auf die Verladehöhe der Schiffe ermöglichte, was den schnellen und effizienten Umschlag von Waren zwischen Bahn und Schiff ermöglichte und somit eine wichtige Rolle in der Logistik des Binnenhandels entlang des Rheins spielte. Solche Bauwerke waren im frühen 20. Jahrhundert besonders wichtig, bevor der Transport von Containern auf Lkws und die heutige Kranlogistik entwickelt wurden.

Bereich Binnenschifffahrt heute und morgen: Hier wurden unterschiedliche Navigationsmethoden und Fotos des Versuchsschiffsmodells "ELLA", ausgerüstet als vollelektrisch automatisiertes und autonomes Fahrzeug, gezeigt. Einige der modernen Navigationssysteme helfen uns archäologischen Tauchern ebenfalls bei der Erforschung der unter Wasser liegenden Welt, wie Sonar, GPS und Radar, die besonders bei Survey in für Taucher unerreichbaren größeren Tiefen unersetzliche Anwendung finden.

Treffpunkt vor dem Ausgang: Sofern sich das eine oder andere DEGUWA-Gruppenmitglied wegen unterschiedlicher Interessen auch mal am einen oder anderen Ausstellungobjekt länger aufgehalten haben sollte, am Modell der Schifferbörse Ruhrort, aufgebaut wie ein Café und getoppt mit dem, mit aus Blattgold verziertem ledernen Deckel versehenen Buchs, war wieder Treffpunkt mit allgemeinem Lauschen der Führung, die neben dem tatsächlichen Sinn dieses, als ursprünglich Handelsplatz konzipierten Ortes, auch nette Anekdoten zur Umgehung von Eintrittsgeldern derselbigen erzählen konnte.

Fazit: Der Besuch im Museum der Binnenschifffahrt bot unserer Gruppe einen faszinierenden Einblick in die archäologische Seite der Binnenschifffahrt. Die Ausstellung vermittelte nicht nur technisches Wissen über die Entwicklung von Wasserfahrzeugen, sondern zeigte auch die immense Bedeutung der Schifffahrt für den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch vergangener Epochen. Die archäologischen Funde und die Präsentation im Museum machten deutlich, dass die Geschichte der Binnenschifffahrt eine wichtige Quelle zur Erforschung menschlicher Mobilität, Handelsstrukturen und kultureller Entwicklung ist. 

Last but not least: Nach der Führung wurde noch einvernehmlich das angeschlossene Restaurant "Siamo Qui" bei Kaffee und Kuchen genüsslich studiert, welches sich netterweise in stimmungsvoller Atmosphäre im ehemaligen Kesselhaus direkt an das Museum anschließt. Wer noch Zeit hatte, konnte später nochmals die Ausstellungshallen besuchen, um Ausstellungsstücke der persönlichen Vorlieben erneut und mit mehr Zeit zu betrachten. Somit war der DEGUWA Gruppen-Besuch des Binnenschifffahrtmuseums in Duisburg ein voller Erfolg.

Ein herzliches Dankeschön an das Museumsteam – und natürlich an unsere DEGUWA-Gruppe, die diesen Ausflug durch Interesse, Austauschfreude und gute Laune zu einem vollen Erfolg gemacht hat. Wir freuen uns schon auf den nächsten gemeinsamen Fortbildungs-Ausflug!

Antje Meyer