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Archäologie unter Wasser

Unterwasserarchäologie - eine kulturelle Verpflichtung

 

Die Unterwasserarchäologie hat in den letzten drei bis vier Jahrzehnten außerhalb Deutschlands einen beachtlichen Aufschwung als Forschungsgebiet erlebt. Das liegt zum einen an dem hohen wissenschaftlichen Aussagewert geschlossener Fundkomplexe - etwa vollständiger Schiffe mit ihren Frachten - und alter Hafenanlagen für die Handels-, Verkehrs- und Technikgeschichte oder versunkener Wohnstätten für die Kenntnis der Siedlungsgeographie und Lebensweise vorgeschichtlicher und späterer Kulturen. 

Zum anderen steigt ständig die Gefährdung eben dieser Befunde durch Ausbau von Häfen und Wasserstraßen, Trockenlegung, Intensivierung der Fischereitechnik und nicht zuletzt durch den wachsenden Tourismus und Freizeitsport mit seinen Yachthäfen und ähnlichen Einrichtungen. Zivilisationsschäden wie die Zerstörung von Schilfgürteln haben die Erosion in ufernahen Gewässerzonen zur Folge, was zur Bloßlegung und zum Verlust wichtiger Befunde führt. 

Auch manch ein Sporttaucher lässt sich in Unkenntnis der rechtlichen Regelungen vom Reiz alter Dinge dazu verführen, vom Seegrund Gegenstände mit nach Hause zu nehmen und vermeintlich zu retten, während er doch wissenschaftlich Wichtiges aus dem Zusammenhang reißt. Dass der größte Schaden von den immer mehr um sich greifenden planmäßigen, aus reiner Gewinnsucht betriebenen Plünderungen angerichtet wird, bedarf keiner Betonung.


Die Rettung und wissenschaftliche Auswertung des unter Wasser ruhenden historischen Erbes ist eine selbstverständliche Aufgabe aller Kulturnationen. In den meisten europäischen Ländern und den USA sind denn auch erhebliche Anstrengungen auf diesem Gebiet im Gange und Institutionen verschiedener Art geschaffen worden, die Unterwasserarchäologie betreiben. 
 
 

Die Lage der Unterwasserarchäologie in Deutschland

 

Auch in Deutschland ist die Unterwasserarchäologie nicht völlig unbekannt geblieben. Die Bergung der Bremer Hansekogge oder der römischen Schiffe von Mainz hat viel Aufsehen erregt (wobei allerdings die Mainzer Funde in einem trockengelegten Areal gewonnen werden konnten). Andere Unternehmungen laufen mehr in der Stille, aber nicht weniger erfolgreich ab, so die Untersuchungen prähistorischer Seeufersiedlungen am Bodensee und anderen Voralpenseen durch die Sektion Unterwasserarchäologie der Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte in Württemberg-Hohenzollern, um nur ein Beispiel zu erwähnen.

  

Freilich sind die meisten Aktionen mehr oder weniger begrenzt, nicht selten vom Zufall diktiert, immer aber werden sie von einem sehr kleinen Personenkreis mit bescheidensten finanziellen Mitteln getragen. Vor allem aber fehlen bei uns Institutionen, wie sie inzwischen die meisten europäischen Länder besitzen, nämlich Zentren, die kontinuierliche Arbeit leisten, als Planungs- und Koordinationszentralen dienen, Pilotprojekte auflegen und längerfristige Forschungsvorhaben durchführen könnten. Auch besteht weder an deutschen Universitäten noch an anderen öffentlichen Lehreinrichtungen die Möglichkeit, Unterwasserarchäologie in ihren zahlreichen Facetten, die von Limnologie und Sedimentkunde über Informatik, Kulturgeschichte, Prähistorie bis hin zu Schiffbau, Ausgrabungstechnik und Kunstgeschichte reichen, praktisch und theoretisch zu erlernen und das Erlernte forschend zu vertiefen.


Dabei ist die Situation in Deutschland besonders prekär. Nicht nur müsste hier dem oben angedeuteten fortschreitenden Verlust an Kulturgut überall in Seen, Flüssen und Feuchtgebieten energischer und nachhaltiger, d.h. mit Einsatz größerer Mittel entgegengewirkt werden, sondern es kommt auch noch eine Aufgabe hinzu, deren Ausmaß zur Zeit noch nicht einmal abgeschätzt werden kann. Im salzarmen Ostseewasser haben sich nämlich historisch bedeutende Schiffswracks weit besser und zahlreicher erhalten als in der Nordsee und anderen Meeren. Bis 1989 waren diese vor schädlichen Zugriffen weitgehend geschützt, teils durch ausgedehnte Sperrzonen, teils weil das Tauchen im Küstenbereich ohnehin nur einem sehr kleinen, ausgewählten Personenkreis möglich war. Seit die Wrackstellen frei zugänglich sind, hat sich die Lage schlagartig verändert, da es sich in Taucherkreisen schnell herumgesprochen hat, dass an der Ostsee noch viel zu holen ist. Zudem steigt der Salzgehalt kontinuierlich im westlichen Teil des Ostsee an, wodurch der Bohrwurm Teredo Navalis sich ausbreitet und wesentlich zum Zerfall von hölzernen Strukturen - wie Schiffwracks - beiträgt. 

 

 

Ziele und bisherige Tätigkeit der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie e.V.

 

Die beschriebene Situation der Unterwasserarchäologie in Deutschland und die wachsende Gefährdung des unter Wasser liegenden kulturellen Erbes hat einige verantwortungsbewusste, historisch interessierte Tauchsportler veranlaßt, nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen. Zusammen mit Fachwissenschaftlern verschiedener Sparten und Freunden des Altertums gründeten sie am 11. Januar 1991 die Gesellschaft, die als gemeinnützig anerkannt ist. Ihre wissenschaftliche unterwasserarchäologische Arbeit und Erfahrung hat bereits sowohl in den nördlichen und östlichen wie auch in den mediterranen Gewässern und den Binnengewässern nationale und internationale Anerkennung gefunden.

 
Die Ziele und Prinzipien der DEGUWA sind rein wissenschaftlicher Natur. Grundidee eines wesentlichen Teils ihrer bisherigen Arbeit ist es, Archäologie und Tauchen gemeinsam mit den Denkmalpflegebehörden und den Sporttauchverbänden zusammenzuführen. Hierzu wird einerseits Studierenden der Prähistorie, der Klassischen Archäologie und ähnlicher Fächer sowie am Altertum interessierten Laien eine preiswerte Tauchausbildung samt Trainingsmöglichkeit geboten und auch das nötige Equipment kann zum Teil zur Verfügung gestellt werden.
  

Auf der anderen Seite versucht die Gesellschaft, Sport- und Freizeittauchern den Sinn und Zweck archäologischer Forschung nahezubringen und sie in Grundbegriffe und -techniken der Unterwasserarchäologie einzuführen, um so in diesen Kreisen Verständnis, Interesse und Bereitschaft zur Mitarbeit zu wecken.

 
Dieser Verbindung von Archäologie und Tauchen dienen theoretische und praktische Wochenendseminare nach dem Vorbild des Training Scheme der britischen Nautical Archaeology Society (NAS). Durch diese Kurse bildet sich ein wachsendes Potential nicht nur tauchfähiger Archäologen, sondern auch taucherfahrener Helfer aus den verschiedensten für die Unterwasserarchäologie benötigten Berufssparten (Technik, Informatik, Photographie usw.). Daraus lassen sich mit der Zeit Teams zusammenstellen, und zwar sowohl für die Arbeiten der DEGUWA selbst, als auch zur Unterstützung der Bodendenkmalämter und ähnlicher Institutionen.
 

Abgerundet wird dieses Ausbildungsprogramm durch praktische Übungen in der Wrackprospektion (z.B. im Sommer 1992 vor Hiddensee) und dadurch, dass Mitgliedern die Teilnahme an Unterwassergrabungen oder -lehrgrabungen im Ausland vermittelt wird, solange solche im Inland noch nicht existieren.

 

Mehr Informationen zu den aktuellen NAS-Kursen für Sporttaucher finden sich in der Rubrik Ausbildung.

 

Nicht weniger wichtig ist die Zusammenarbeit mit den deutschen Einrichtungen der Bodendenkmalpflege, zu welchem Zweck die DEGUWA ein eigenes Referat eingerichtet hat, sowie auf internationaler Ebene. Zum Austausch von Kenntnissen und Erfahrungen werden Kongresse und Tagungen beschickt, auf denen bereits viele nützliche Kontakte geknüpft werden konnten. Den ersten eigenen Kongress führte die DEGUWA am 19. und 20. Juni 1993 in Zusammenarbeit mit dem archäologischen Institut der Universität Erlangen-Nürnberg durch.

 

Großen Wert misst die DEGUWA der schwierigen Aufgabe zu, in Tauchsportkreisen über das Unterwasser-Kulturerbe aufklärend zu wirken und für dessen Schutz und Pflege zu werben sowie auf die Rechtslage aufmerksam zu machen.

 

Neben Ausbildung und Aufklärung soll aber auch die Forschung nicht zu kurz kommen. Nur sie gibt letztlich die Motivation zum Lernen und die Möglichkeit, das Erlernte durch Anwendung zu festigen und auszubauen. So organisiert die DEGUWA immer wieder Surveys, Grabungen etc. In der Rubrik Projekte gibt es einige Berichte zu bereits durchgeführten Projekten.

 

Die Bedingungen an der deutschen Ostseeküste und in den Binnengewässern erforden eine besondere Methode der Prospektions- und Grabungstechnik, zu deren Gelingen die Möglichkeiten moderner Technik vielversprechend beitragen können. Die unterwasserarchäologischen und denkmalpflegerischen Aufgaben an der deutschen Ostseeküste, wie sie sich durch die Wiedervereinigung ergeben haben, müssen schnell wissenschaftlich kooperativ und uneigennützig angegangen werden, um dieses kulturelle Erbe denkmalpflegerisch, wissenschaftlich zu erfassen und wirksam zu schützen. Obwohl in der Unterwassertechnik bereits viele Sonar-Scanner und Fernsehreporter zu haben sind, erfordern Sucharbeiten und Vermessungen am Grund dieser Gewässer eine neue Technik. Archäologische Prospektionsarbeiten sollten deshalb über die Vermessung der aus dem Sediment hervortretenden Merkmale einer Fundsituation ohne Eingriffe in den Gesamtfundkomplex vorgenommen werden können. Wichtige Strukturen in der Tiefe müssen störungsfrei exakt erfaßt werden, da eine Ausgrabung oft alle wichtigen Informationen im Sediment vernichtet.

 

Besonders den Anforderungen an wissenschaftlich archäologisches Arbeiten kann allein eine Vermessung an der Bodenoberfläche nicht genügen. Deshalb widmet sich die DEGUWA auch technischen Problemen. Beispielsweise betreibt sie die Weiterentwicklung eines neuen Sonargerätes zur Ortung unter Sedimenten liegender Gegenstände.

 

Die Arbeit mit solchen und anderen Instrumenten der Unterwasserarchäologie kann in einem der neuen mittelfränkischen Stauseen an einem von der DEGUWA geplanten und erstellten Unterwassergerüst erprobt werden.

 

Zu der sonstigen Tätigkeit der Gesellschaft sei noch gesagt, dass jährlich Konferenzen »In Poseidons Reich« veranstaltet werden, sowie seit 1998 die Zeitschrift SKYLLIS herausgegeben wird. 

 
 

Was ist weiterhin zu tun?

 
Die DEGUWA wird nach besten Kräften ihre oben skizzierten Tätigkeiten und Vorhaben fortsetzen und intensivieren. Hierzu ist eine Vergrößerung der Mitgliederzahl und damit der potentiellen und faktischen Mitwirkenden dringend zu wünschen. Eine enorme Arbeitslast verteilt sich zur Zeit auf nur wenige Schultern.

Die Schwerpunkte der Arbeit werden weiterhin mit den Begriffen Aufklärung, Ausbildung, Forschung, Zusammenarbeit und Austausch sowie technische Entwicklung benennbar sein. Auf längere Sicht kann aber eine private Gesellschaft nicht sämtliche nötigen Aufgaben der Unterwasserarchäologie allein bewältigen. Technisch aufwendige, über Jahre gehende Grabungsprojekte lassen sich nicht ausschließlich mit unbezahlten - die meisten Kosten selbst tragenden - Freiwilligen zuverlässig planen und aufrecht erhalten. Hierzu bedarf es vielmehr eines festen Stammes an Mitarbeitern. Deshalb sollte die Schaffung eines Forschungsinstitutes auf Bundesebene ins Auge gefasst werden, das entweder völlig unabhängig oder Teil einer schon bestehenden Einrichtung - etwa des Deutschen Archäologischen Institutes oder der Max-Planck-Gesellschaft - sein könnte. Diesem würde hauptsächlich die Grundlagenforschung und die Arbeit in Gewässern außerhalb Deutschlands zufallen. Darüber hinaus sollten die Bundesländer Abteilungen für Unterwasserarchäologie bei der Bodendenkmalpflege einrichten. Für die Lehre wäre am besten gesorgt, wenn sie nach dem interdisziplinär geprägten schwedischen Modell angelegt und in mindestens je einer nord- und süddeutschen Universität installiert würde. Die DEGUWA würde durch solche Institutionen keineswegs überflüssig, sondern könnte ihre Fördertätigkeit sogar noch erheblich verstärken und gezielter einsetzen.
 

Bei der augenblicklichen Finanzlage ist freilich mit den vorgeschlagenen Einrichtungen in naher Zukunft nicht zu rechnen. Da die Zeit drängt und schnell gehandelt werden muss, wenn nicht unschätzbare wissenschaftliche Werte - insbesondere an den Ostseeküsten - für immer verloren gehen sollen, wäre es wünschenswert, dass die DEGUWA von öffentlicher wie privater Seite die größtmögliche Unterstützung ihrer Arbeit erführe.

Stand: 12.2.2013

 
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